Von einem Kunden erreicht mich ein Hilferuf. Er will einen Report anzeigen und bekommt einen Fehler. Wie üblich sind die Rahmenbedingungen nicht genauer genannt und ich versuche erstmal den Fehler nachzustellen. Fehlanzeige. Der Report wird angezeigt, ohne Fehlermeldung und ohne Murren seitens der Software. Eine telefonische Nachfrage beim Kunden bestätigt auch dort ist das so, außer bei einem speziellen Report bzw. bei der Auswahl eines bestimmten Produkts.
Mit dieser Information komme ich weiter und kann den Fehler nachstellen. Alles deutet auf einen Stapelüberlauf wegen einer Endlosschleife hin. Daran kann eigentlich nur der Inhalt der Felder verantwortlich sein und als ich mir die Beschreibungen, die in HTML gespeichert wird, ansehe kann ich schnell ein strukturelles Problem erkennen. Hier scheint etwas mit der HTML-Struktur durcheinander geraten zu sein. Nach der Bereinigung der Daten kann dann auch der Report wieder angezeigt werden.
Die eigentliche Ursache bleibt unklar, ich vermute aber einen Zusammenhang mit einer nicht ganz unbekannten Bürosoftware bei der die HTML-Struktur hin und wieder ebenfalls etwas merkwürdig gestaltet wird.
Gestern hatte ich großes Betriebszugehörigkeitsjubiläum. Vermutlich hätte ich gar nicht daran gedacht, wenn ein Kollege mich nicht angesprochen hätte. Irgendjemand aus der Administration muss es in unserem Urlaubskalender vermerkt haben. Doch bis auf den Eintrag in dem Onlinekalender hatte mein Jubiläum keinerlei Auswirkungen. Es gab keinen Händedruck, keine persönliche Ansprache und auch kein Geschenk – muss ja auch nicht.
Ich bin jetzt schon unglaubliche 16 Jahre hier im Unternehmen. Seit 16 Jahren pendele ich, mit Ausnahme von einigen Homeofficetagen, Urlaub, Feiertagen oder Kundenbesuchen also täglich nach Kassel. Wo ich wohl inzwischen wäre, wenn ich mich die Kilometeranzahl von der Erde weg bewegt hätte? Vermutlich immer noch recht nach an Mutter Erde.
Blicke ich auf die 16 Jahre zurück,
Seit Tagen hat es geregnet. Die Sandpisten haben sich in schlammige Rutschbahnen verwandelt, die den dichten Dschungel durchschneiden. Der LKW mit den wichtigen Teilen steht in der 900 km entfernten Provinzhauptstadt. Durch den Regen ist der gesamte Transportverkehr zum Erliegen gekommen. Da die Regenzeit in diesem Jahr ungewöhnlich früh und ungewöhnlich stark begonnen hat ist eine schnelle Besserung der Straßenverhältnisse nicht in Sicht. Der junge Bachelor Rüdiger, frisch von der Universität, läuft durch das Werk. Die Fertigung steht seit mehreren Tagen. Die Arbeiter beginnen unzufrieden zu werden, von der Führungsetage ganz zu schweigen. Dabei hat Rüdiger doch eine Lösung. Der LKW muss nur den luftgekühlten Fluxomaten mit widerstandslosem Drehwerk mitbringen und alles wird funktionieren. Er setzt sich unter den großen Ventilator in seinem kleinen Office. Trotz des Regens ist die Hitze kaum zu ertragen. Er wischt sich mit seinem Tuch über die Stirn und dringt erst mal eine Mate-Limonade. Er legt die Füße auf seinen Schreibtisch und liest sich noch mal die Spezifikation des Fluxomaten durch. Eine ganz neue Entwicklung und ein tolles Teil, was alle seine Probleme lösen wird und für den Regen kann doch niemand was.
Es gibt einige Unarten in der modernen Kommunikation. Es kennst Sie bestimmt jeder und wahrscheinlich findet jeder sie unterschiedlich schlimm oder stört sich unterschiedlich daran. Bei mir verhält es sich ähnlich. Über manche kann ich hinwegsehen und andere stören mich ziemlich. Im Moment hat sich hier bei uns im Team eine Unart breit gemacht, die mich schon extrem stört. Die Kollegen in einem entfernten Standort haben ein Problem und sich vermutlich schon länger damit beschäftigt. Wenigstens so lange, dass sie in der Lage sind eine Mail an mich zu formulieren. Das wäre ja noch kein Problem. Allerdings greifen die Kollegen mit dem Senden der Mail zum Telefonhörer und rufen sofort an, um den Inhalt der Mail mit mir zu besprechen. Es wäre ja schon schön, wenn man mir wenigstens die Chance geben würde, mir einen ersten Überblick zu verschaffen, bevor ich Fragen zur Mail beantworten soll.
Mail und Anruf in der selben Minute
Eine weitere Unart kam erst mit WhatsApp auf. Hier gibt es ja die Möglichkeit über Gruppenkommunikation und einer persönlichen Kommunikation. An und für sich eine tolle Sache und ich nutze es auch viel. Aber leider nehmen es nicht alle so genau mit dem Empfängerkreis. Da gibt es Gruppen, die speziell für ein Thema gegründet wurden und doch wird ständig Inhalt an alle geschickt, der mit dem eigentlichen Thema nichts zu tun hat. Auch nervig ist es, wenn jemand einen persönlich ansprechen will, es aber über die Gruppe macht. Zwanzig Teilnehmer interessiert es nicht, bekommen aber die Nachrichten. Überhaupt wird manchmal zu viel und zu schnell geschrieben. Hin und wieder ein Gespräch kann auch sehr wertvoll sein.
Das ganze Problem fing gestern an. Ein Kollege fragte mich, ob er Daten nicht einfach in eine andere Datenbank stecken könnte. Da wäre ja schließlich schon die ganze Struktur vorhanden und er hätte es leichter. Auf meinen Hinweis, dass vielleicht die Struktur passen würde, aber nicht die Daten zueinander ließ er jede Einsicht fehlen. Und argumentierte immer wieder mit der Einfachheit der Lösung. Unglaublich, dachte ich und regte mich irgendwie immer mehr auf. Kein Argument galt, für ihn zählte nur, dass es schön einfach ist. Wohlgemerkt nicht die Lösung, sondern einfach für ihn umzusetzen. Ich bin Informatiker und damit Ingenieur und habe das im Studium ganz anders gelernt. Klar reicht es aus, eine Lösung anzufertigen, die so komplex wie nötig und dabei so einfach wie möglich ist. Aber das bezieht sich auf das Endprodukt und nicht auf die Umsetzung. Die Software muss ja auch wartbar bleiben.
In meinem, leider nicht mehr jugendlichen, Leichtsinn dachte ich ja gestern noch, das wäre das Problem eines Einzelnen doch weit gefehlt. Heute erreicht mich ein Anruf vom Kunden. Es geht um eine Austauschdatei und die Erweiterung des Dateiheaders. Hier wurde in den vergangenen Tagen ein neuer Schlüssel vereinbart. Heute dann die Nachfrage, ob man diesen Schlüssel auch in den Nutzdaten statt im Dateiheader unterbringen könnte. Denn der Kollege, der die Umsetzung machen muss hat das Projekt neu übernommen und weiß nicht, wie er den Header anpassen muss, wohl aber die Nutzdaten. Also kein Einzelfall, vielmehr scheint es ja schon trennt zu sein, dass man sich sein Leben so einfach wie möglich gestaltet. Und wenn andere damit Schwierigkeiten haben, zucken die Simplizisten einfach mit der Schulter und atmen die Einwände Weg – ist ja schließlich nicht ihr Problem.