Für eine Software, die ich schon Jahre (fast Jahrzehnte) betreue, hat ein Kollege ein neues Modul beigesteuert. Mit diesem Modul kann man Störungsmeldungen erfassen. Soweit so unspektakulär. Jetzt kam der Kunde auf die Idee mit diesem Modul die Fehler in der Software selbst zu erfassen. Eine gute Idee, die letztlich auch dazu führte, dass ich mir das Modul näher ansehen durfte. Oder soll ich besser: musste schreiben?
Ich beschäftige mich ein wenig mit der Funktionsweise und einiges ist mir unklar und andere Dinge sind doppelt vorhanden. Ich frage den Kollegen, wie die Arbeitsweise gedacht ist und er kann mir keine Auskunft geben. Er redet um den heißen Brei herum. Und sagt, es wäre historisch gewachsen. Das Totschlagargument in der Softwareentwicklung. Mein Eindruck: Er kennt sein eigenes Modul nicht.
Die Krönung ist die Auswahl einer Stammdatenzuordnung. Hier kann ich eine Auswahlliste öffnen, in der die mir zugeordneten Stammdaten angezeigt werden. Mit einer Checkbox darüber („alle in Liste Anzeigen“) kann ich dann auch alle Stammdaten in die Liste bringen und auswählen. Wer das allerdings bei beinahe 500 Einträgen macht – ich weiß es nicht. Aber das ist noch nicht alles. Hinter der Auswahlliste gibt es noch einen Button mit drei Punkten. Klickt man auf diese Schaltfläche öffnet sich ein Dialog mit dem ich die Stammdaten filtern kann. Standardmäßig werden hier auch alle angezeigt. Das führt die Checkbox ad absurdum.
Interessant war auch die Benennung von bestimmten Stammdaten. In einer Maske ist der Verantwortliche die Person, die das Gerät betreut, für das die Störungsmeldung aufgelaufen ist. An anderer Stelle sind es die Benutzer des Geräts oder der Software. Die Beschriftung an beiden Stellen ist aber „Verantwortlicher“.
Irgendwie kann ich mir nicht helfen, aber genau so scheint damals die Softwarekrise angefangen zu haben. Ohne Planung und Design wird losgelegt und hier und da was angebaut und bei Änderungen bleiben Teile erhalten, die keinen Sinn mehr machen. Und dieses Vorgehen schlägt sich auch im Code nieder. Keine Typdeklarationen, keine sinnvollen Namen. Einrückungen, Klammerungen und Formatierung – my ass! Das Ganze wirkt konzeptionell so durchdacht und ausgeführt wie die Städteplanung in einem Slum. Klar baue doch einfach an deine Hütte an, nimm ruhig das verrostete Blech und wenn der Zug kommt, klappst du deinen Balkon einfach ein. Es ist schon erstaunlich, was heute so von den Universitäten in die Wirtschaft kommt. Irgendwie verfestigt sich bei mir der Eindruck, dass man so manchen Bachelor nur zum Rosenverteilen bei RTL gebrauchen kann. Natürlich kann ich mich irren.
An den kleinen Dingen merkt man, dass wir schon sehr lange zusammenarbeiten. Mein Kollege beim Kunden und ich arbeiten nun tatsächlich schon seit November 2001 zusammen. Heute erreichte mich im Labor die folgende WhatsApp und ohne viele Worte wusste ich fast sofort, um was es ging.
Wie ein altes Ehepaar eben. Die Anspielung auf einen ehemaligen Kollegen, der immer mal wieder den Satz „Du bist wie meine Frau“ während Diskussionen in den Raum warf.
Es kommt eine Mail hier an. Der Kunde hat die Zuständigkeiten etwas verwechselt und ich sage dem Kollegen (Werkstudent und Mailempfänger) er solle die Mail einfach ignorieren ich würde mich darum kümmern. Warum er dann noch die Fragte stellt um was es geht und den Inhalt der Mail erklärt haben möchte? Keine Ahnung und ich muss dreimal Durchatmen um ihm eine sachliche Antwort zu geben.
Jemand benutzt einen Begriff im falschen Zusammenhang. Er will so gar nicht passen. Ich korrigiere ihn. Er benutzt den Begriff trotzdem immer weiter. Ist es Ignoranz oder hält er sich für besonders klug? Keine Ahnung aber da muss man meines Erachtens schon genau sein und darf Begriffe nicht verwenden, nur weil man sich dann extraschlau anhört – wenigstens im Berufsleben.
Ein Kollege hat eine Frage und braucht Hilfe. Warum ich auf „Guck mal hier“ - ohne jegliche Lockerheit im Ton – nicht reagiere? Weil ich zu Höflichkeit erzogen wurde. Und das ist einfach nur frech. Warum er glaubt ich meine es lustig als ich ihm sage, dass ich sicher nicht kommen werde? Keine Ahnung, wie man so merkbefreit sein kann.
Bin auf Kundenbesuch und brauche Unterstützung von einem Kollegen aus unserem Office. Schreibe ihm eine Nachricht, dass er sich bei Gelegenheit bei mir melden möge. Als ich fast zwei Stunden später immer noch keine Nachricht habe frage ich noch mal nach und bekomme zur Antwort er habe gerade die Dokumentation erstellt? Keine Ahnung, warum er meint das wäre wichtiger als einem Kollegen beim Kunden vor Ort zu helfen.
Vielleicht bin ich zu Empfindlich. Mag sein. Aber manche Menschen haben etwas in ihrem Verhalten was mich einfach auf die Palme bringt. Manchmal genügt ein Wort, ein Gesichtsausdruck oder eine Verhaltensweise. Im Moment reicht leider ziemlich wenig aus um bei mir diesen Zustand auszulösen. Aber wenn jemand schon mehrere Chancen hatte sein Verhalten zu verbessern und fast 30 Jahre alt ist kann man meiner Meinung nach erwarten, dass er selbstständig arbeitet, Anweisungen erkennt, wenn es solche sind und sie auch umsetzt – aber vielleicht bin ich auch einfach zu empfindlich…
Schon die erste Mail heute Morgen beinhaltete die Erkenntnis des Tages. Wenn wir nichts machen wird es auch nicht von alleine verschwinden. Das trifft nicht nur auf die Softwareentwicklung zu. Nein, dass gilt in vielen Lebensbereichen.
[…]But I’m quite sure that this can be easily reproduced at the customer site, and if we don’t do any fix, it won’t go away by itself.[…]
Ob ich meinen Beruf liebe? Im Großen und Ganzen bin ich mit meiner Berufswahl ganz zufrieden. Doch eine Sache stört mich wirklich und doch kann man nur wenig dagegen tun. Heute ist mal wieder so ein Tag. Schon seit gestern versuche ich eine etwa komprimier 3,6 GB große Datenbanksicherung von einem Kunden auf unser Testsystem zu bekommen. Immerhin bin ich inzwischen schon so weit, dass ich die komprimierte Datei auf unserem Testsystem entpacken kann. Doch nun heißt es wieder warten. Und das ist die Sache, die mich wirklich stört.